Der Krieg in der Ukraine hat viele politische Gewissheiten erschüttert – auch in der Linken. In der Empörung über die russische Aggression gerät schnell aus dem Blick, dass Waffenlieferungen kein neutrales Mittel sind. Sie folgen einer Logik, die Kriege verlängert, geopolitische Machtinteressen verstärkt und soziale Ungleichheiten vertieft. Eine Linke, die an ihren Grundsätzen von Internationalismus, Frieden und sozialer Gerechtigkeit festhält, kann sich dieser Logik nicht anschließen. Mehr denn je braucht es eine klare Position: gegen Waffenlieferungen, für Diplomatie und für eine Politik, die das Leben der Menschen über geopolitische Machtspiele stellt.
Auf dem jüngsten Kongress der Luxemburger Linkspartei déi Lénk hat deren Abgeordneter David Wagner versucht, Waffenlieferungen an die Ukraine mit einem abstrusen historischen Vergleich zu rechtfertigen: Er berief sich auf die russischen Bolschewiki und sprach von „revolutionärem Pragmatismus“. Doch dieser Verweis ist nicht nur historisch schief, er verrät auch zentrale Grundsätze linker Politik.
Die Bolschewiki standen im Anschluss an die Oktoberrevolution, in den Jahren 1917/18, vor einer gänzlich anderen historischen Herausforderung. Nach der Machtergreifung war ihre Priorität nicht die Fortsetzung des Weltkriegs, sondern dessen schnellstmögliche Beendigung. Um den Krieg zu beenden, schlossen sie den Frieden von Brest-Litowsk – selbst unter extrem ungünstigen Bedingungen. Der Verzicht auf territoriale Ansprüche und die Akzeptanz schwerer Friedensbedingungen – all das war Ausdruck einer kompromisslosen Ablehnung der imperialistischen Kriegslogik. Die Bolschewiki wollten den Krieg nicht gewinnen, sie wollten ihn beenden, um die Grundlagen für eine sozialistische Gesellschaft überhaupt erst zu retten.
Dass der Abgeordnete David Wagner, selbst ausgebildeter Historiker, diese historischen Tatsachen derart ins Gegenteil verkehrt, verschlägt einem die Sprache. Die Bolschewiki stehen nicht für die Fortsetzung von Kriegen, sondern für deren radikalen Abbruch – selbst unter extremen Opfern. Wagners Argumentation hingegen stellt die historische Erfahrung auf den Kopf: Anstatt die Kriegsdynamik zu durchbrechen, sollen Linke sich heute aktiv an der militärischen Eskalation beteiligen. Anstatt eine Politik des Friedens einzufordern, akzeptiert man die Logik des bewaffneten Sieges – und beruft sich dabei ausgerechnet auf eine Tradition, die sich durch die kompromisslose Ablehnung dieser Logik definiert hat. Diese Verdrehung linker Geschichte ist nicht nur politisch bedenklich, sondern verlangt eine unmissverständliche Zurückweisung!
Waffenlieferungen sind keine Antwort im Geiste des Internationalismus. Sie verlängern das Leiden der Menschen, verschärfen globale Spannungen und dienen letztlich geostrategischen Interessen, nicht dem Schutz der einfachen Bevölkerung. Die politische Linke darf niemals den Fehler machen, Krieg als „notwendiges Übel“ zu akzeptieren.
Der Krieg liegt nicht im Interesse der arbeitenden Klassen – weder in Russland noch in der Ukraine noch hierzulande. Jeder Tag, den der Krieg andauert, bedeutet neue Opfer, neue Zerstörung und eine weitere Stärkung nationalistischer, militaristischer und autoritärer Kräfte auf beiden Seiten. Kriege schaffen keine gerechten Gesellschaften, sie vernichten sie.
Waffenlieferungen nähren zudem die globale Aufrüstungsspirale. Milliarden, die in Panzer und Raketen fließen, fehlen im sozialen Bereich: bei Gesundheit, Bildung, Wohnraum und Klimaschutz. Der Rückbau des Sozialstaats zugunsten militärischer Investitionen trifft jene am stärksten, die ohnehin auf Solidarität und öffentliche Infrastruktur angewiesen sind. Linke Politik, die auf Waffen setzt, macht sich mitschuldig an dieser Umverteilung der Mittel von unten nach oben – und an der Priorisierung von Rüstungsprofiten über soziale Bedürfnisse.
Die historische Aufgabe einer sozialistischen Linken kann deshalb nicht darin bestehen, Kriege zu verwalten oder militärische Machtpolitik zu legitimieren. Sie muss darin bestehen, Wege aus der Gewalt zu suchen: durch Diplomatie, durch Waffenstillstände, durch politische Lösungen, die auf Interessenausgleich und gegenseitiger Sicherheit beruhen, nicht auf der Gewalt des Stärkeren. Das bedeutet, die Kriegslogik selbst infrage zu stellen – und nicht, sich ihr unter dem Vorwand eines angeblichen „revolutionären Pragmatismus“ zu unterwerfen.
Wer heute Waffenlieferungen legitimiert, stellt sich objektiv in den Dienst imperialistischer Machtkämpfe, deren Konsequenzen nicht im Sinne der Menschen sind, die unter Krieg, Armut und Unsicherheit leiden. Linke Politik muss, wenn sie ernst bleiben will, für eine neue internationale Ordnung eintreten: gegen Imperialismus, gegen Militarismus, gegen Hochrüstung – und für eine internationalistische Solidarität, die die Interessen der schaffenden Klassen in den Mittelpunkt stellt.
Linke Politik heißt Widerstand gegen Krieg und Kapitalismus.
Wie Rosa Luxemburg es formulierte:
„Wer sich in die herrschende Ordnung einfügt, arbeitet an ihrer Erhaltung.“
Mit dem friedenspolitischen Schwenk auf ihrem gestrigen Kongress hat déi Lénk sich leider auf die Seite der herrschenden Ordnung gestellt.